Reisen

Ruanda – 20 Jahre danach

Ruanda gehört wahrscheinlich für die meisten von uns nicht zu den Reisezielen, von denen man träumt.

Und auch wir wären wahrscheinlich nie in dieses Land gekommen, wenn nicht dort ein befreundetes Ehepaar lebte, das wir besuchen wollten. Zum Zeitpunkt unserer Reise (Februar 2015) war der Völkermord, den die Hutu-Mehrheit an der Tutsi-Minderheit begangen hatte, gerade 20 Jahre vorbei. Der Genozid (April bis Juni 1994) war das Einzige, was wir mit Ruanda verbanden.
Die prägendsten Eindrücke von dieser Reise, mit denen wir nach Hause gekommen sind:
– Die Aufarbeitung des Genozid und die Aussöhnung scheinen erfolgreich zu verlaufen.
– Die wirtschaftliche Entwicklung kommt gut voran, nicht zuletzt wegen der starken Unterstützung westlicher Staaten. Ruanda ist ein „Lieblingsland“ westlicher Entwicklungshilfe, weil die Regierung Reformen voranbringt und es vergleichsweise wenig Korruption gibt (Ruanda gehört lt. Bericht von Transparenz International zu den drei afrikanischen Ländern mit der geringsten Korruption).
– Umweltschutz und Müllentsorgung werden ernst genommen (zum Beispiel Verbot von Plastiktüten, regelmäßige Müllabfuhr und beginnende Mülltrennung).

Und nun zu unserer Reise:

In der Hauptstadt Kigali – dem Start- und dem Endpunkt unserer Reise – spüren wir die Aufbruchstimmung. Überall wird gebaut; moderne Gebäudekomplexe bestimmen immer stärker das Stadtbild. Natürlich gibt es auch noch die wuseligen Marktgassen.
Die moderne Kommunikation via Mobilfunk macht es möglich, ohne Bankverbindung Geld von einem zum anderen zu transferieren. Dagegen scheint Matratzenkauf und -transport ein traditionelles Alltagsthema zu sein. Einkaufstaschen sind ein Muss, da Plastiktüten verboten sind.
Die meistgesehenen Taxis sind Motorräder, die sich ins Stadtgetümmel stürzen.

Überall im Land finden wir Denkmäler und Museen, die sich mit dem Völkermord beschäftigen. Wir besuchen das Genocide Memorial in Kigali. Die Bilddokumente geben eine Vorstellung von diesen schrecklichen Taten und der dahinter stehenden Hassideologie, zu der die Kolonialmacht Belgien durch ihre Rasseneinteilung beigetragen hat. Und die Ausstellung zeigt die beschämende Rolle der Völkergemeinschaft, die dem Töten tatenlos zugesehen hat.
Auf unserer Fahrt durchs Land sehen wir immer wieder einmal Arbeiter in orangefarbener Kleidung beim Straßenbau und in der Landwirtschaft. Das sind verurteilte Genozid-Täter, die sich durch ihre Kleidung von anderen Kriminellen unterscheiden.

Auf unseren Überlandfahrten begegnen uns immer wieder Heerscharen von Kindern, die in einheitlicher Uniform von der Schule heimgehen.
Ein wichtiges Transportmittel ist das Fahrrad: als Taxi (die Dame sitzt auf dem gepolsterten Gepäckträger und kündigt ihre Ankunft per Handy an) und vor allem als Vehikel zum Transport von Gütern aller Art.
An vielen Stellen im Land werden Straßen gebaut, und dort wo bei uns die Straßenschluchten in den Fels mit schwerem Gerät geschlagen werden, geht es hier mit Menschenkraft und Hammer und Meißel.
Das „Land der tausend Hügel“ erleben wir als grünes Land.

Der Akadera Nationalpark im Nordosten des Landes bietet eine vielfältige Tierwelt; leider verstecken sich die Elefanten vor uns. Wir übernachten für ein paar Tage im Nationalpark in einer schönen Lodge an einem See.

Im Süden des Landes schauen wir uns Butare an. Der Markt ist ein echter Anziehungspunkt – außen und innen.
Wir besuchen das National Museum, das sich am Stadtrand von Butter befindet.

Nächste Station ist der Nyungwe Forest National Forest im Südwesten des Landes. Hier machen wir eine Wanderung auf dem Canopy Walkway. Der Weg führt über eine imposante Hängebrücke – 200 m lang und 50 m hoch.
Wir leisten uns zwei Übernachtungen in der luxuriösen Nyungwe Forest Lodge am Rande des Parks inmitten von Teefeldern.

Im Westen liegt der Kivusee, den sich Ruanda mit der Demokratischen Republik Kongo teilt. Der See hat etwa fünf Mal die Fläche des Bodensees. Das Einzigartige am Kivusee: Über 60 Milliarden Kubikmeter Methangas sind im See gelöst. Kongo und Ruanda wollen diese Energieressource anzapfen. Für beide Länder würde dies alle Stromversorgungsprobleme lösen. Es besteht allerdings auch die Gefahr eines unkontrollierten Methangasausbruchs, dem Millionen Menschen zum Opfer fallen würden.

Zum Abschluss wartet ein Höhepunkt auf uns: Auf Du-und-Du mit einer Gorilla-Familie. Die Berggorillas leben an den Hängen der Virunga-Vulkane im Norden des Landes. Nach einem „Volkstanz-Auftritt“ im Ausgangs-Camp machen wir uns in kleiner Gruppe mit einem Führer auf den Weg zu den Gorillas. Einige der Gorilla-Gruppen sind an Menschen gewöhnt und nach ihnen machen wir uns auf die Suche. Nach einem mehrstündigen anstrengenden Marsch in die Berge stoßen wir auf eine Gorilla-Familie. Wir dürfen auf wenige Meter heran. Der Silbernacken, der Boss der Familie, nimmt uns nur kurz wahr, um dann weiter seinem Mittagsschlaf zu frönen. Während dessen tollt der Gorillanachwuchs herum und nähert sich auf Armlänge. Aber lieber nicht berühren. Nach einer Stunde Zuschauen und Fotografieren – das ist die vorgeschriebene Maximalzeit – machen wir uns wieder auf den Rückweg. Es war ein einmaliges Erlebnis.

Noch ein paar Kurzinformationen über Ruanda:

  • Etwa 12 Mio. Einwohner; Hauptstadt Kigali mit ca. 1,3 Mio. Einwohnern
  • Fläche gesamt 26.300 qkm (etwas kleiner als Brandenburg)
  • Landessprachen: Kinyarwanda, Englisch, Französisch
  • Unabhängig seit 1962
Fotos: Gudrun Schick