Gesellschaft

„Summer of Love“ – der Anfang vom Ende

Ob ich als Jugendlicher hier in Europa den Sommer 1967 als „Summer of Love“ erlebt habe, weiß ich nicht mehr. Ich glaube, er erschien mir auch nicht groß anders als der Sommer von 1966 oder der von 1965.

Doch im Rückblick verbinde ich jede Menge wohlfühliger Namen, Bilder und Töne mit diesem „Summer of Love“: Tanzende Hippies, bunt bemalte VW-Busse, Blumen im Haar, San Francisco, Scott McKenzie, psychedelische Plattencover, Monterey Festival, California Dreaming, Hair und . . . und . . . und.

Wer sich mit der Hippie-Zeit intensiver beschäftigt, kommt zu dem Schluss, dass der „Summer of Love“ der Anfang vom Ende dieser Jugendbewegung war. Drei, vier Jahre vorher hatte sich der Stadtteil Haight-Ashbury in San Francisco zum Zentrum der Revolte gegen das gesellschaftliche und politische Establishment und ihre Regeln entwickelt. Diese Gegenkultur fand ihren Ausdruck in der Mode, in der Kunst, im Propagieren freier Liebe, im Protest gegen Vietnam-Krieg und Diskriminierung der Afro-Amerikaner, im Konsum von Marihuana und LSD und natürlich in der Musik. Nun, im Sommer ’67, war der Traum von Love, Peace und Drugs ausgeträumt: Mode und Musik waren auf dem Weg in den Mainstream, Haight-Ashbury war zur Touristenattraktion und zum Feriencamp von 100.000 jungen Leuten aus dem ganzen Land geworden, San Francisco war voller Drogenwracks, die Polizei hatte sich mit stark zunehmender Kriminalität herumzuschlagen und die Ärzte hatten mit einem enormen Anstieg von Geschlechtskrankheiten zu kämpfen. Das Monterey International Pop Festival im Juni ’67 verhalf einigen Musikern – wie z. B. Jimi Hendrix und The Who – in den USA zum Durchbruch; ihre Musik hatte jedoch mit Flowerpower nichts mehr zu tun. Am 6. Oktober 1967 fand in Haight-Ashbury das „Funeral of Hippie“ statt, die Vision von Flowerpower wurde zu Grabe getragen.
Worin liegt auch heute noch der besondere Reiz des „Summer of Love“? Die Sehnsucht nach Freisein und sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegsetzen? Oder der Wunsch, beim Gestalten einer besseren Welt dabei zu sein und mitzumachen? Ich bin mir nicht sicher.
Ziemlich sicher bin ich mir jedoch, dass ich mir damals lieber „Let’s spend the night together“ von den Stones angehört habe als Scott McKenzies Liebeslied über San Francisco. Und die Beat-Club-Auftritte von Cream, Who und Kinks hatten mich mehr angemacht als die Flower Pot Men mit ihrer Aufforderung „Let’s go to San Francisco“.
Allerdings: Wenn ich gelegentlich mal wieder an der US-Westküste unterwegs bin, dann schaue ich in Haight-Ashbury vorbei – vielleicht.

Nachtrag: Ich war im September in San Francisco und habe auch einen Spaziergang durch Haight-Ashbury gemacht; hier meine Eindrücke.